Was passiert, wenn nicht genug Myelin vorhanden ist... oder stellenweise gar keines?
Hier hilft wieder das oben benutzte Bild der elektrischen Maschine: es gibt Kurzschlüsse und Stromverlust.
Beim Menschen bedeutet dies: Krämpfe, Spastiken, Bewegungseingeschränkungen, eingeschränkte Sinneswahrnehmungen bis hin zum völligen Ausfall.
Konkret: Gehen mit Stock, Rollstuhl, völlige Bewegungsunfähigkeit; selbst schlucken ist nicht mehr möglich. Taubheit, Blindheit, Stummheit.
Was passiert, wenn die ALD einmal ausgebrochen ist?
Der Abbauprozess des Myelin verläuft lawinenartig; hat er einmal begonnen, so verlieren die Patienten meist innerhalb von Monaten oder wenigen Jahren alle ihre Fähigkeiten und sterben. In extrem seltenen Fällen stoppt die ALD aus noch ungeklärter Ursache.
Hat der Myelinabbau-Prozess im Gehirn erst einmal begonnen, kann er nur durch eine Knochenmarktransplantation (oder Nabelschnurblut) wieder aufgehalten werden. Wie bei Markus. Aber nur dann, wenn dieser entzündliche Prozess sehr früh richtig diagnostiziert wird. Nach der Transplantation dauert es noch 12-18 Monate, bis der entzündliche Prozess des Myelinabbaus zum Stillstand kommt.
Wann bricht die ALD aus?
Meist in der Kindheit oder in der frühen Jugend. Bei etwa 1/3 der Jungs, die einen enstprechenden Gendefekt haben. Praktisch alle anderen entwickeln später eine AMN. Aber auch bei Betroffenen der Erwachsenenverlaufsform AMN kann sich später noch eine ALD entwickeln. Sie verläuft dann ebenso rasch wie bei Kindern.
Warum geht das Myelin überhaupt unter?
Die Oligodendrozyten, die das Myelin bilden, sind spezielle Zellen. Wie alle Zellen in unserem Körper haben sie einen Stoffwechsel, der durch verschiedene Zellorganellen bewerkstelligt wird.
Beispielsweise gibt es Mitochondrien, die “Kraftwerke” der Zellen: hier werden die meisten Fette abgebaut. Sehr langkettige Fette jedoch können nur in den Peroxisomen abgebaut werden. Damit diese sehr langkettigen Fette überhaupt dort hineingelangen, benötigen sie einen Transporter: ein spezielles Enzym. Dieses Enzym ist bei ALD Patienten “defekt”. Daher können die sehr langkettigen Fette nicht mehr abgebaut werden, sie reichern sich an bis sie den Oligodendrozyt vergiften. Dieser stirbt dann ab, das durch ihn bereitgestellte Myelin verkümmert, geht unter (“Dystrophie”).
Die Folge: die Nerven liegen blank, sie funktionieren nicht mehr richtig.
Warum ist das Enzym defekt?
Für das Enzym gibt es einen falschen Bauplan: es ist ein genetischer Schaden, der sich so auswirkt. Jeder Mensch hat gleich mehrere genetischen Defekte - sie sind aber meist nicht so deutlich sichtbar.
Chromosomen, die Baupläne unseres Organismus:
Der Gendefekt bei der ALD ist heimtückisch: er sitzt auf dem X-Chromosom und wirkt sich daher geschlechterspezifisch aus: Mädchen und Frauen haben 2 X-Chromosomen; hier bricht die Krankheit praktisch nie in der ALD-Form aus. Einige Frauen haben aber im reiferen Alter doch Blasenprobleme oder deutliche Gehprobleme bis hin zur Rollstuhlpflicht. Jungs und Männer haben dagegen nur 1 X-Chromosom: ist dieses defekt, dann schlägt die Krankheit sehr viel heftiger zu: Ca. 1/3 der betroffenen Jungs oder jungen Männer bekommen die ALD.
Männer, die das Glück hatten in ihrer Kindheit und Jugend keine ALD zu entwickeln, bekommen fast ausnahmslos eine AMN, das ist die Erwachsenenverlaufsform dieser Krankheit.
Wie wird die ALD oder AMN vererbt?
Vater ist betroffen: Ist das Kind ein Junge, so bekam er vom Vater nicht das kranke X-Chromosom, sondern dessen Y-Chromosom, ist daher gesund und wird selbst auch wieder gesunde Kinder haben! Ist das Kind ein Mädchen, so hat sie vom Vater sein defektes X-Chromosom bekommen. Es wird also im Erwachsenenalter eventuell an der Erwachsenenverlaufsform AMN erkranken und kann die Krankheit selbst wieder an eigene Kinder weitergeben.
Mutter ist betroffen: Egal ob das Kind Tochter oder Sohn ist, die Wahrscheinlichkeit der Weitergabe der Krankheit liegt bei 50%.
Hier geht´s zur Erwachsenenverlaufsform AMN
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